Es gibt also nicht das eine Fundamentaldiagramm, sondern eine Vielzahl an Diagrammen mit unterschiedlichen Ausprägungen; sie alle haben dennoch dieselben charakteristischen Eigenschaften: Der Fluss nimmt zunächst bis zu einem Maximum (Kapazitätsgrenze) zu und geht dann in einen Stau über.
Welche Bedeutung haben Fundamentaldiagramme für Simulationen?
Bei makroskopischen Personenstromanalysen dienen Fundamentaldiagramme als Eingabe. Wie in obiger Abbildung sichtbar, hat bspw. Predtetschenski und Milinski mehrere Fundamentaldiagramme aus Experimenten abgeleitet, je nach Anlass sowie Bekleidung. Anhand dieser Diagramme wird dann der Personenfluss herausgelesen und daraus letztendlich die Räumungszeiten berechnet.
Ganz anders verhält es sich in mikroskopischen Modellen: Dort dient das Fundamentaldiagramm nicht als Eingangsgröße sondern als Ausgangsgröße. Die mikroskopischen Modelle werden mithilfe dieser Diagramme zunächst kalibriert, um die Werte für die Modellierung der individuellen Personen zu ermitteln. Ist ein Modell auf ein Diagramm kalibriert, dient das Fundamentaldiagramm im Allgemeinen zur Validierung des jeweiligen Modells. Im deutschsprachigen Raum hat sich hierbei das Fundamentaldiagramm nach Weidmann durchgesetzt und wird zur Validierung herangezogen.
Auf diese Validierung zielt auch der RiMEA Test 4 [RiMEA] ab. Das mikroskopische Modell wird in einem langen, geraden Gang simuliert und daraus wird ein Fundamentaldiagramm abgeleitet. Die Simulationsergebnisse sollen abhängig von den Eingangsgrößen das Fundamentaldiagramm abbilden.
Wie werden die mikroskopischen Modelle kalibriert, um korrekte Ergebnisse zu erhalten?
Eingabewerte für mikroskopische Simulationen sind Geschwindigkeitsverteilungen der Agenten, Platzbedarfe, etc. Abhängig von den gewählten Werten ergibt sich dann das entsprechende Fundamentaldiagramm.
Anders ist dies auch nicht möglich: Da das Fundamentaldiagramm aggregierte Werte wie Personenfluss und Dichte betrachtet, können diese Werte nicht als Eingabe für mikroskopische Modelle dienen. Diese Werte können vielmehr als Ergebnis aus der Simulation aggregiert dargestellt werden. Und das macht auch Sinn: Personenstromsimulationen kommen insbesondere bei komplexen Projekten zur Anwendung, bei denen genau eine solche Antwort vonnöten ist, um die Sicherheitslage einzuschätzen.

Beispiel der Software Kalibrierung auf das Fundamentaldiagramm in crowd:it
Setzen mikroskopische Modelle als Eingangsparameter Fundamentaldiagramme ein, so ist Vorsicht geboten: Diese Modelle sind keine richtigen mikroskopischen Modelle, sie imitieren vielmehr das Fundamentaldiagramm und bremsen dann Agenten abhängig der Dichte ab, so dass die Werte des Fundamentaldiagramms getroffen werden. Sie sind in ihrem Kern also eher makroskopische Modelle, die auf Agentenbasis auflösen. Eine solche Vorgehensweise kann die Ergebnisse verzerren und somit die Bewertung der Stausituation verfälschen.
Literatur:
Holl, Stefan: Methoden für die Bemessung der Leistungsfähigkeit multidirektional genutzter Fußverkehrsanlagen, Dissertation 2016
Meunders, Andreas: "Kalibrierung eines mikroskopischen Modells für Personenströme zur Anwendung im Projekt Hermes", Master Thesis 2011.
RiMEA Richtlinie für Mikroskopische Entfluchtungsanalysen, Version 3.0, 10. März 2016,
http://www.rimea.de/fileadmin/files/dok/richtlinien/RiMEA_Richtlinie_3.0.0_-_D-E.pdf
Weidmann, U. (1993): Transporttechnik der Fussgänger: Transporttechnische Eigenschaften des Fussgängerverkehrs (Literaturauswertung)